Die Strategie, mit der du deine Übungseffizienz drastisch steigern wirst
Hast du folgende Erfahrung schonmal machen müssen:
Du übst eine gewisse Leadgitarrentechnik (z.B. Sweep Picking Arpeggios, Tapping, Legato, Sequenzen o.Ä.) und steckst relativ viel Zeit rein, um diese Technik zu beherrschen, technisch korrekt anzuwenden und auf eine passable Geschwindigkeit hochzuschrauben. Nach vielen Übungsstunden hast du die Technik „gemeistert“ und bist nun fähig das Ganze sauber, fehlerfrei und schnell zu spielen – Glückwunsch!
Bei deiner nächsten Session in der du kreativ werden willst und ein Solo über einen Backing Track improvisierst, stellst du mit Bedauern fest, dass du trotz deiner Anstrengungen immer noch die ganze Zeit das gleiche spielst und überhaupt nicht fähig bist, die mühsam erlernte Technik in dein Spiel einzubinden. Du fragst dich dann, wie dein großes Vorbild es eigentlich geschafft hat, wie aus dem Nichts rasant schnelle Solos zu improvisieren und dabei ohne groß darüber nachdenken zu müssen verschiedenste Techniken miteinander kombinieren kann.
Wäre es nicht großartig, diese Fähigkeit selbst zu besitzen und endlich davon wegzukommen, Solos nachzuspielen oder endlos Fingerübungen und Etüden bis zum Erbrechen zu üben?
Wäre es nicht viel motivierender, sicher zu wissen, dass das, was man gerade übt und die Art und Weise wie man es übt letzten Endes dazu führt, dass man die Gitarre in die Hand nimmt und genau das spielt, was einem in den Kopf kommt und was man wirklich an der Gitarre ausdrücken möchte?
In diesem Artikel möchte ich mit dir eine Strategie teilen, die dir genau diesen Fortschritt ermöglicht und die dich bei konsequenter Anwendung dazu bringt, dich völlig frei an der Gitarre ausdrücken zu können.
Was haben alle Gitarrenvirtuosen gemeinsam?
Um dir diese Strategie näherzubringen, möchte ich zuerst mit dir analysieren, was sämtliche Größen in der Gitarrenwelt (Jimi Hendrix, Eric Clapton, BB King, Eddie Van Halen, Malmsteen, Petrucci, Satriani …) gemeinsam haben und welches Element ein unabdingbarer Schlüssel zu ihrem musikalischen Erfolg ist. Hierzu eine rhetorische Frage an dich:
Denkst du, dass diese Jungs so gut geworden sind, weil sie sich Tabulaturen aus dem Internet heruntergeladen haben und dann 100% ihrer Übungszeit damit verbracht haben, diese auswendig zu lernen und zu versuchen, jeden Tag das Metronom um einen Beat per Minute zu steigern?
Ich garantiere dir, dass dies nicht der Schlüssel zum Erfolg war, denn wenn das so wäre, dann würde es Millionen außergewöhnlicher Gitarristen auf der Welt geben – es gibt sie aber nicht!
Was Jimi Hendrix und Co auszeichnet ist ihre Experimentierfreudigkeit mit Musik. Es ist durchaus korrekt, dass jeder dieser Gitarristen ebenfalls seine Idole und Inspirationen hatte und bis zu einem gewissen Punkt jemand anderem nachgeeifert hat. Der Punkt ist allerdings, dass sie nicht einzig und allein versucht haben, Solos nachzuspielen sondern von Anfang an mit den Grundideen ihrer Vorbilder kreativ geworden sind. Sie haben Variationen gesucht, versucht diese Variationen und die Ideen die sich davon ableiteten in ihre eigenen Lieder und Kompositionen einzubauen und waren ständig auf der Suche nach Mitteln und Wegen, wie sie ihre eigene Musik noch interessanter gestalten können.
Was ist die Falle, in die die meisten Gitarristen tappen?
Was können wir nun mit dieser Erkenntnis anfangen und wie können wir dieses Wissen auf unsere eigenen Übungsgewohnheiten übertragen?
Der allererste Schritt den wir dafür tun müssen, ist uns vom Streben nach Perfektion bewusst zu verabschieden!
Ein allgemeiner Irrglaube in der Gitarrenwelt ist, dass man erst Schritt 2 machen kann, nachdem man Schritt 1 gemeistert hat. Wir denken, dass man Musik in einem linearen Prozess lernt, bei dem B garnicht möglich ist, nachdem A nicht perfekt beherrscht wird. Passende Beispiele dazu:
- Die meisten Gitarristen denken, dass sie zuerst eine Technik meistern müssen, bevor sie in einem improvisierten Solo eingesetzt werden kann.
- Andere Gitarristen sind davon überzeugt, dass sie zuerst ein tiefgründiges Verständnis zu Akkorden und Musiktheorie aufbauen müssen um dann nach Jahren mühseliger Übung ihr ersten Songs schreiben zu können.
Das ist völliger Humbug!!!
Wenn wir nicht direkt lernen und üben, wie wir ein neues Konzept, eine neue Technik oder eine neue Idee in einem realen musikalischen Kontext anwenden können, werden wir noch jahrelang versuchen an unserer Technik zu feilen um dann immer noch festzustellen, dass wir nicht fähig sind, diese Technik in einem improvisierten Solo anzuwenden. Weiterhin werden wir immer wieder feststellen, dass wir nicht fähig sind, Techniken flüssig und mühelos zu kombinieren und landen auf dem Boden der Tatsachen, dass wir eigentlich noch nicht gelernt haben wie man wirklich frei improvisiert, wie man ein Solo komponiert oder wie man seine eigenen Songs schreibt.
Der Geometrische Lernprozess
Der sogenannte „geometrische Lernprozess“ (dieser Begriff wurde von meinem persönlichen Lehrmeister Tom Hess geprägt), bezeichnet eine Lernstrategie, bei der man das Gelernte aktiv aus den verschiedensten Winkeln beleuchtet und auf diese Art und Weise langfristige und kontinuierliche Schritte macht. Dabei eignet man sich ein viel tiefgründigeres Wissen über das Instrument an und verringert gleichzeitig drastisch die Frustration darüber, dass man seinen langfristigen Zielen nicht näher kommt.
Ich möchte dir anhand von einem Beispiel demonstrieren, was ich damit meine und wie du diese Strategie in deinen eigenen Übungssessions anwenden kannst.
Nehmen wir an, du lernst das Thema 3-String Sweep Picking Arpeggios und hast die folgende Übung dazu (diese Übung zeigt die drei Inversionen des G-Moll Akkords gespielt auf den hohen drei Saiten, eine sehr übliche Art, den Akkord mit der Sweep Picking Technik zu spielen):
Hier ist, was die meisten mit dieser Übung machen würden, wenn sie einen linearen Ansatz fahren:
- Die Übung auswendig lernen
- Mehrere Wochen damit verbringen, die Übung immer wieder zu wiederholen und dabei ständig versuchen, die Geschwindigkeit zu steigern
Auf diese Art und Weise wird die Technik zwar geübt, verbessert und auch gefestigt, alle anderen musikalischen Aspekte bleiben dabei jedoch links liegen.
Hier ist, wie ich selbst mit dieser und anderen technischen Übungen umgehen würde, um sie in einem geometrischen Konzept in meine Routinen einzubauen um einen langfristigen Nutzen davon zu haben:
Grundsätzlich teile ich meine Übungszeit, in der ich mich mit diesem Thema beschäftige in mehrere Bereiche auf:
- Technik und Isolation
- Anwendung und Kreativität
- Integration
Ich versuche entweder alle drei Bereiche in drei aufeinander folgenden Übunssessions abzudecken oder ich teile eine einzelne Session in die drei Bereiche auf. Wie genau die Umsetzung letzten Endes aussieht ist irrelevant, der wichtige Punkt ist, dass wir gleich viel Zeit in alle Bereiche von Anfang an stecken! Nur so garantieren wir, dass sich die Technik tief in unserem Unterbewusstsein verankert und wir die Fähigkeit erlernen, sie ohne nachdenken zu müssen anzuwenden.
Was ist nun mit diesen drei Bereichen genau gemeint und was kannst du dir praktisch darunter vorstellen?
Technik und Isolation
In diesem Bereich geht es um die eigentliche technische Komponente und wir machen genau das, was wir normalerweise mit der Übung tun würden, nämlich isoliert trainieren und versuchen die Geschwindigkeit aber vor allem auch die Sauberkeit der Übung zu verbessern
Anwendung und Kreativität
Dies kann sehr vielfältig ausfallen:
- Wir suchen Variationen zu diesen Arpeggios
- Wir wenden dieses Konzept Akkorde zu spielen auf andere Akkorde an
- Wir benutzen die Technik direkt und aktiv zu einem Backing Track (hier ist der Gedanke „Weg von Perfektion, just do it!“ immens wichtig, da wir nicht erwarten dürfen, dass alles sofort funktioniert!)
- Wir schreiben unser eigenes kleines Stück, was diese Technik als Schwerpunkt beinhaltet
Integration
Hierbei geht es darum, die Technik in ein globales Konzept einzubinden. Wenn wir improvisieren möchten wir aus einer großen Toolbox schöpfen können und alle Mittel miteinander frei kombinieren.
Integration üben wir aktiv, indem wir die Technik, welche den Schwerpunkt unserer momentanen Übung darstellt, mit anderen Techniken die wir schon beherrschen flüssig kombinieren. Hier ist ein Beispiel, wie man die obige Übung mit einer pentatonischen Skala, der Tapping Technik und einer sogenannten three note per string scale verknüpfen kann:
Was kannst du jetzt tun?
Ich empfehle dir, diese Strategie für langfristigen Fortschritt an der Gitarre am besten von heute an regelmäßig zu nutzen. Am Anfang mag es vielleicht etwas mühseliger erscheinen, da du dazu gezwungen wirst etwas zu tun, womit du dich noch nicht wohl fühlst, vor allem wen du versuchts mit einer neuen Technik zu improvisieren obwohl du sie noch nicht zu 100% beherrschst.
Glaub mir – es ist normal, dass sich das am Anfang ungut anfühlt und schwer fällt aber mit der Zeit wird es garantiert besser und du wirst merken wie du auf eine vielfältige Art und Weise flüssiger, kreativer, schneller und ausdrucksstärker an der Gitarre wirst!
„Selbst ein Weg von Tausend Meilen
beginnt mit einem Schritt!“
Falls du Fragen hast oder etwas unklar ist, oder du wissen willst, auf welche Art und Weise du den geometrischen Lernprozess auf dein eigenes Spielen und Üben anwenden kannst, dann melde dich einfach bei mir und ich bin jederzeit bereit, dir in einer völlig unverbindlichen Probestunde weiterzuhelfen!
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